06. April 2003
06. April 2003

Sonntag, 06. April 2003
St. Bernhard, Bocholt-Lowick

Joh. Seb. Bach
„Matthäus-Passion“

Die Passion gliedert sich in zwei Teile, zwischen denen in der Erstaufführung eine Predigt gehalten wurde. Am Anfang steht das Exordium, das die Gemeinde zur Sammlung aufruft und auf die Passion einstimmt. Die beiden Chöre stellen eine Gruppe von Gläubigen da, die die Töchter der Stadt Jerusalem, die Töchter Zions, anrufen: Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen. In diese Bitte hinein erklingt von einem dritten einstimmigen Chor der Passionschoral O Lamm Gottes, unschuldig. Die drei Chöre sind miteinander eng verknüpft. Die beiden Hauptchöre rufen sich Fragen und Antworten zu, die jeweils in einer Choralzeile enden. Das alles geschieht über dem pulsierenden Rhythmus der Baßstimme, der diesem großen Klagegesang eine vorwärtsdrängende Dynamik verleiht. Im Anschluß an den Eingangschor beginnt die Vorgeschichte mit der Leidensankündigung. Nach dem Einsatz des Erzählers (Evangelist) erklingen die ersten Jesusworte der Passion: „Ihr wisset, daß nach zweien Tagen Ostern wird, und des Menschen Sohn wird überantwortet werden, daß er gekreuziget werde.“ Das Wort „gekreuziget“ vertont Bach mit einem ausdrucksvollen Melisma, das mit seiner expressiven Melodik auf das kommende Leiden verweist. Als dritte Nummer erscheint der Choral, mit dem sich die Gemeinde fragend einmischt: Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen? Nach diesem kurzen retardierenden Moment wir die Handlung mit der Versammlung der Hohenpriester vorangetrieben. Hier kommt es zu einer ersten dramatischen Szene: Die Hohenpriester „hielten Rat, wie sie Jesum mit Listen griffen und töteten.“ Mit Macht setzt der Chor ein, der nun die versammelten Priester, Schriftgelehrten und Ältesten verkörpert, und fordert: Ja nicht auf das Fest, auf daß nicht ein Aufruhr werde im Volk. Die Stärke der Besetzung erinnert an das historische Vorbild: Der Hohe Rat, der Sanhedrin, setzte sich damals aus 70 Mitgliedern zusammen. Weitere Stationen der Handlung sind die Salbung in Bethanien mit der ausdrucksvollen Arie Buß und Reu, in deren Mittelteil die „niedertropfenden Tränen“ durch abwärts geführte Akkordbrechungen, von den Flöten staccato gespielt, verdeutlicht werden. Es folgen der Verrat des Judas, das letzte Abendmahl, Jesus am Ölberg, das Treuegelöbnis der Jünger und die Szene im Garten Gethsemane, die mit der Gefangennahme Jesu endet. Der erste Teil wird mit der großen Choralbearbeitung O Mensch, bewein dein Sünde groß abgeschlossen.
Der zweite Teil beginnt mit der Erinnerung an die Gefangennahme. Zwischendurch hatte die Gemeinde ja der Predigt zugehört und mußte nun wieder in die Handlung der Passion zurückgeführt werden. Nachdem Jesus vor dem Hohen Rat verurteilt worden war, wird er von Petrus verleugnet. Die Altarie Erbarme dich mit dem klagenden, dabei aber wunderschönen, Violinsolo schildert das Weinen des verzweifelten Jüngers. Diese Unterbrechungen und Reflektionen der Handlung machen den besonderen Charakter dieses Werkes aus und sind neben der satztechnischen Meisterschaft Bachs für dessen Bedeutung verantwortlich. Der Evangelist führt weiter durch die Geschichte: Dem Ende des Judas folgt die Gegenüberstellung mit Pilatus, der das Volk über das Schicksal zweier Gefangener urteilen läßt. Barrabas wird freigesprochen, Bach vertont die einzelnen Silben des Namens mit drei gleichen dissonanten Akkorden, Jesus aber empfängt die Todesstrafe. Geradezu brutal ruft das Volk Pilatus zu: Laß ihn kreuzigen! Pilatus überläßt Jesus dem Volk, die ihm eine Dornenkrone aufsetzen. An dieser Stelle erscheint der zentrale Choral O Haupt voll Blut und Wunden, eine von Paul Gerhardt ins Deutsche übertragene Version des alten lateinischen Hymnus „Salve caput cruentatum“. Schließlich kommt es zur Kreuzigung bei Golgatha. Jesu Tod folgt ein Erdbeben, das Bach in dem Rezitativ Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriß musikalisch nachzeichnet. Jesus wird von einem seiner Jünger vom Kreuz genommen und begraben. Die folgende Baßarie Mache dich, mein Herze, rein gehört zu den schönsten Stellen des Werkes. Der große Schlußchor bildet den Abschluß, die Conclusio, der Passion. Mit dem Abschiedsgesang Wir setzen uns mit Tränen nieder kommen noch einmal die Töchter Zions zu Wort, die somit das gesamte Werk einrahmen.
Als Plakathintergrund wurde die Krippe der St. Bernhard-Kirche in Lowick gewählt. Sie soll den theologischen Bogen von Weihnachten zu Karfreitag und Ostern schlagen.

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